Was ist das neurogene Zittern?
Das neurogene Zittern ist keine Methode oder Technik, wie es EMDR, Verhaltenstherapie, EFT usw. sind. Der neurogene Tremor (das Zittern) ist ein Selbstheilungsreflex des Nervensystems. Alle Säugetiere haben diese angeborene Fähigkeit, Anspannungen abzubauen und dadurch die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. (Nach Satya Marchand: Wege in die Freiheit)
Durch das Zittern werden die Spannungsmuster, die zuvor bei der Trauma Reaktion ausgelöst wurden, wieder gelöst.
Dieses neurogene Zittern geschieht ohne willentlichen Einfluss, so wie alles aus dem autonomen Nervensystem ohne willentlichen Einfluss geschieht. Daher ist es so enorm wichtig, dieses Zittern zu praktizieren. Es ist die einzige Möglichkeit, das autonome System in derselben Sprache, also autonom wieder herunter zu fahren.

Das spontan entstehende, unwillkürliche Zittern unseres Körpers kann heilsam wirken und dabei helfen, Stress und Traumafolgen sowie chronische Anspannungen zu lösen.
Aus dem Buch „Neurogenes Zittern“ von Nibel und Fischer.
Das Zittern ist die natürlichste Weise des Körpers, extreme Energie zu entladen. Das ist in allen Ländern, bei allen Menschen gleich.
Beispiel aus der Natur
In der Savanne sind die Tiere ständiger Gefahr ausgesetzt und dennoch leiden sie nicht an Traumafolgenstörungen, wie wir Menschen. Warum nicht? Auch eine Gazelle ist ein Säugetier und hat denselben Unterbau, wie wir Menschen.
Gerät sie in Gefahr, wird also von einem Löwen gejagt, so muss sie fliehen. In kürzester Zeit ist sie bereit alle Energiereserven bereit zu stellen und alles zu geben, um zu überleben. Sie schlägt haken und verausgabt sich, bis sie es geschafft hat. Der Löwe ist erschöpft und die Gazelle ist wieder in Sicherheit. Nun wird sie die restliche Energie aus diesem Hetzerlebnis heraus zittern. Solange, bis alles draußen ist. Erst danach kann sie wieder in Ruhe fressen, in Ruhe Schlafen, in Ruhe trinken. Würde sie nicht zittern, so wäre sie nach wie vor im Überlebensmodus, gefühlt wäre der Löwe also ständig hinter ihr her, obwohl das faktisch nicht mehr der Fall ist. Spätestens nach ein paar Tagen wäre sie davon so erschöpft, da es für den Körper Höchstleistung bedeutet, dass sie vermutlich verenden würde.
Wie funktioniert das neurogene Zittern?
Trauma lädt den Körper mit extremer Energie auf, die durch den Anstieg chemischer Prozesse im Blutkreislauf bewirkt wird. Das Ziel ist eine Schutzreaktion: sie veranlasst den Körper während einer gefährlichen Situation zu kämpfen, flüchten oder zu erstarren. Im Falle einer erfolgreichen Handlung, d.h. wenn die Muskeln die biochemische Reaktion vollständig entladen haben, kehrt der Mensch zu einem normalen Zustand von Ruhe und Genesung zurück. Wird die Entladung verhindert und bleibt deshalb erfolglos, werden posttraumatische Belastungsreaktionen erzeugt. (Thieme Connect – Interview mit David Bercelli)
Der Körper reagiert auf Stress, also auf gefährliche Situationen immer gleich. Stress ist gleich Stress ist gleich Stress. Es gibt hier keinen Unterschied. Er reagiert immer mit dem biochemischen Cocktail.
Bei Bindungs- und Entwicklungstraumata geht die Gefahr nie vorüber, denn die Eltern stellen die Gefahr dar und die gehen nunmal nicht einfach weg. Konkret heißt dies, dass die energetische Entladung verhindert wird. Das Nervensystem bleibt im Überlebensmodus hängen, stuft dies als „normal“ ein. Die Folge ist ein dysreguliertes autonomes Nervensystem. Der Mensch reagiert zukünftig mit veränderter Wahrnehmung auf Gefahr, Stress und kommt häufig überhaupt nicht mehr in eine Entspannung. Vor allem aber, spürt er nicht einmal bewusst, dass er so viel Stress in seinem Körper trägt. All das läuft unter der Bewusstseinsschwelle ab.
Im Kern sorgt also die nicht entladene Energie im Körper dafür, dass wir ständig im Stress und Überlebensmodus hängen bleiben. Der Körper versucht ständig, durch Reinszenierung die Körperreaktion und damit die Entladung zu vervollständigen. – Dr. David Bercelli
Ohne die Entladung bleibt der Körper in dieser zwanghaften Reinszenierung gefangen. Es kann eine endlose neurobiologische Rückkoppelungsschleife entstehen, die die Person in einer Art psychologischen und physiologischen Gefangenschaft hält. Das geht solange, bis der Körper die Meldung des Nervensystem enthält, dass die Gefahr vorüber ist. – Dr. David Bercelli
Wir müssen dem Körper signalisieren: „Die Gefahr ist vorbei, du kannst dich entspannen“ – dazu muss man die Sprache des Körpers sprechen.
Es scheint, dass der Körper zu einer natürlichen Entladung dieser überschüssigen biochemischen Energie in der Lage ist: über den neurogenen Tremor. Das ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Selbstregulierungssystems.
Das Zittern scheint die natürliche Antwort eines geschockten oder gestörten Nervensystems zu sein, die neurophysiologische Homöostaste des Körpers wiederherzustellen. Den Forschern folgend erlauben diese Wiederherstellungsmechanismen dem Organismus, sich von der erstarrenden Reaktion zu erholen. (Thieme Connect – Interview mit David Bercelli)
Der Körper gibt das Zittern normalerweise automatisch immer dann frei, wenn du wieder in Sicherheit bist. Das kennst du sicherlich, wenn du einen Autounfall hattest und danach plötzlich heftig zitterst. Auch hier gibt der Körper das zuvor bereitgestellte Adrenalin raus. Dieses Zittern macht der Körper automatisch – autonom eben.
Wenn es aber um Bindungs- und Entwicklungstraumata geht, so liegt diese Gefahr Jahre zurück, hier gibt der Körper die bereitgestellte Energie nicht mehr automatisch frei. Du kannst es jedoch durch einige Körperübungen deinem Körper signalisieren, dass er wieder zittern darf. Bei jedem Zittern werden zurückliegende Verletzungen und Verschaltungen des autonomen Nervensystems gelöst.
Was bewirkt das neurogene Zittern?
Durch das Zittern kann das autonome Nervensystem reguliert werden. Es kann aus dem Überlebensmodus heruntergefahren werden. Durch das Zittern signalisieren wir dem Körper: Sicherheit. Das ist extrem wichtig, um Stress und damit auch Trauma abzubauen und zwar nachhaltig.
Diesen Stress kann jedweder Art entstehen: ob durch unverarbeitete Traumta, emotionalen Stress mit Freunden, Partner oder dem Chef, aber auch anderen äußeren/inneren Einflussen. Jeder Körper reagiert immer gleich auf Stress, daher ist auch der Stressabbau durch das Zittern immer gleich. Es bringt dich in eine innere Ruhe und Gelassenheit zurück.
Der Selbstheilungsreflex des neurogenen Zitterns bei Trauma und Stress ist derselbe Reflex, wie wenn du dir in den Finger schneidest und die Haut beginnt, die Wunde selbst zu versorgen.
Unser Körper ist ein einzigartiges Wunderwerk.
Jessica Zimmerer
Konkret bedeutet das:
Dein Nervensystem wird aus dem Überlebensmodus herunter reguliert.
- Du stärkst deine Resilienz
- Damit stärkst du deine Stress- und Belastungsfähigkeit
- Du verbessert soziale Beziehungen
- Dein Nevensystem kommt wieder in die Regulation
- Du kommst in eine Regenration und beugst damit Krankheiten vor
- Schmerzen können sich nach und nach lösen
- Ängste und Traumata können sich nach und nach lösen
- Glaubenssätze, die im Nervensystem verschaltet sind, können sich lösen
Das neurogene Zittern bringt keine Risiken mit sich, es wirkt immer in eine Verbesserung der Befindlichkeit. Es lässt sich von jedem Menschen in jedem Alter praktizieren.
Weitere positive Effekte des heilsamen Zitterns:
- Selbstwirksamkeit
- Selbstregulation
- Selbstkontrolle
- verbessertes Körpergefühl
- fördert das Selbstvertrauen
- bessere Körperhaltungen (da Spannungen im Muskelgewebe gelöst werden)
- verbesserte Selbstwahrnehmung: was tut mir gut und was nicht
- steigert Beweglichkeit
- Harmonisierung der Energieleitbahnen
- tieferer, erholsamer Schlaf
Weitere Infos findest du auch unter:
Eigenes Video von mir:
(Zusammengefasst nach: https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-2006-932637?device=desktop&innerWidth=412&offsetWidth412 )